Fische sind unglaublich wichtig für das Volk der Schilluk im Südsudan. Sie essen Fisch, sie verkaufen Fisch und das Letzte, woran sie vor dem Einschlafen denken, ist: Fisch! Fisch bedeutet dem Volk der Schilluk alles. Ein Ehemann hat das Recht, sich von seiner Frau scheiden zu lassen, wenn sie ihm nicht den Kopf des Fisches kocht und serviert.
Die Alphabetisierungsrate im Südsudan ist sehr niedrig – nur 40 Prozent der Männer und 16 Prozent der Frauen können lesen und schreiben. Die Schilluk, auch bekannt als Collo, litten sehr unter dem Bürgerkrieg. Sie zählen zu den Ärmsten im Land und haben kaum Zugang zu Bildung. Deshalb startete die Bibelgesellschaft im Südsudan, die 2013 auch die erste Schilluk-Bibel veröffentlicht hatte, ein Alphabetisierungsprogramm in Kodok – der Hauptstadt der Schilluk.
Wenig begeistert
Doch zunächst waren die Schilluk wenig begeistert von diesem Alphabetisierungsprogramm, und das, obwohl zwei Christen aus ihrem Volk dafür warben: Professor Twong Yolong Kur, römisch-katholisch und Vorstand des Collo-Sprachrates, und Peter Majwok, ein Ältester der Presbyterianischen Kirche im Südsudan.
Desinteresse und Widerstand schlugen Prof. Yolong entgegen, als er versuchte, die vielen Vorteile von Alphabetisierung zu erklären. Da hatte er eine Idee: Er beschloss, die Bibel selbst als Überzeugungsmethode zu verwenden – im Besonderen Bibelstellen, die mit Fisch oder dem Fischen zu tun haben! Er las aus dem Markusevangelium vor „Kommt, folgt mir nach; ich will euch zu Menschenfischern machen!“ (Mk 1,17) und aus dem Matthäusevangelium, wie 5000 Menschen mit zwei Fischen und fünf Broten satt wurden (Mt 14,16-21). Da bemerkte er, dass die Menschen aufhorchten und aufmerksam zuhörten. Viele von ihnen besuchten später die Alphabetisierungskurse.
Peter Majwok und Professor Twong Yolong Kur konnten mit Bibelstellen über Fische, die Leute überzeugen, die Alphabetisierungskurse zu besuchen.
Zwei Fliegen mit einer Klappe oder zwei Fische mit einem Haken
„Ich habe zwei Fische mit einem Haken gefangen!“, sagt Prof. Yolong. „Manche begannen, in die Alphabetisierungskurse zu gehen und manche wurden Christen.“ Doch nicht alle Bibelgeschichten mit Fischen wurden von den Schilluk so gut aufgenommen wie die Speisung der 5000. „Ich habe ihnen die Geschichte von Jona vorgelesen, wie er drei Tage im Bauch des Wales ist. Viele Menschen wollten diese Geschichte nicht glauben oder akzeptieren.“ Lukwam Akyengero war einer davon: „Das ist Unsinn. Ich will keine solche Geschichten mehr hören!“, sagte er zunächst ärgerlich. Ein anderer Mann, Yoane Ajak, war jedoch fasziniert von der Geschichte. Er besuchte den Alphabetisierungskurs, um mehr herauszufinden, und wurde schliesslich Christ. Er wurde Assistent im Alphabetisierungskurs und nach einem Jahr mit sanfter Überzeugungskunst, brachte er Lukwam auch dazu, den Alphabetisierungskurs zu besuchen. Lukwam wurde ebenfalls Christ. Bei seiner Taufe nahm er den Namen Abarayama (Abraham) an. Nun bringt er andere Leute seines Alters in die Kirche mit. Unlängst kaufte Yoane eine Ausgabe der Schilluk-Bibel, in der er regelmässig liest und Hoffnung darin findet.
Es brauchte viel Mut
Ozoonwa Nyumbe ist Hausfrau. Sie brauchte viel Mut, um zum Alphabetisierungskurs zu gehen. „Als ich begann, zur Alphabetisierungsschule zu gehen, haben viele Leute gedacht, ich sei faul und wolle mich vor meiner Arbeit zu Hause drücken“, erzählt Ozoonwa. Doch Ozoonwa hielt durch. „Als sie sahen, wie ich in der Kirche die Lesungen laut vorlas, wurde aus ihrer Kritik Lob!“ Andere Frauen begannen ebenfalls, die Alphabetisierungskurse zu besuchen.
Ozoonwa Nyumbe kann nun die Bibel selber lesen.
Einer der Gründe für den Krieg
Experten im Südsudan glauben, dass Analphabetismus einer der tieferliegenden Gründe für den Bürgerkrieg ist, der 2013 ausbrach. Während des Krieges im Sudan, als das Land noch eins war, gab es kaum Bildungsmöglichkeiten im Süden des Landes. Das ist der Grund, warum die Alphabetisierungszahlen hier so dramatisch niedrig sind. Viele hohe Beamte können weder lesen noch schreiben. Unwissenheit verbreitet sich wie eine Krankheit.
Lesen und Schreiben zu lernen, wird mehr Menschen im Südsudan die Möglichkeit geben, Bildung zu erlangen. Die Kirche und die Regierung müssen dabei zusammenarbeiten. Das Team der Bibelgesellschaft bereitet alles vor, um das Alphabetisierungsprojekt an die Kirchen weiterzugeben. Sie glauben, dass die Kirchen die richtige Plattform bieten, Leute zu erreichen und einen wirklichen Unterschied zu machen. Dem stimmt Professor Yolong zu: „Die Kirchen werden das Alphabetisierungsprogramm sehr ernst nehmen.“
Autor: Edward Kajivora, Generalsekretär der Bibelgesellschaft im Südsudan
Übersetzung aus dem Englischen: Ines Schaberger, Österreichische Bibelgesellschaft