Johannesevangelium auf Baselbieterdeutsch

26. Oktober 2016

Im letzten Herbst ist die Mundartübersetzung «Der Guet Bricht: s Johannes-Evangeelium und d Johannesbrief» erschienen. Es ist der fünfte Band biblischen Schriftguts in Baselbieterdeutsch. Hansueli Müller leitete die Übersetzungsarbeit und erzählt von den Herausforderungen.

Vielleicht sass der Oltinger Bauer und Dichter Hans Gysin, der vor bald achtzig Jahren die Weihnachtsgeschichte nach Lukas auf Mundart übersetzte, alleine an seinem Schreibtisch, auch wenn er sich Hilfe und Rat bei Theologen holte. Die neuen Bibelübersetzungen auf Baselbieterdeutsch der letzten 25 Jahre sind jedoch alle in Teamarbeit entstanden. Unsere Gruppe besteht aus Laien, Theologen und einem Sprachwissenschaftler. Jemand, der seine Wurzeln in der Kantonshauptstadt Liestal hat, muss dabei sein, denn wir benutzen die dortige Mundart, die sowohl im Oberbaselbiet als auch in der Agglomeration um Basel verstanden wird. Alle arbeiten auf freiwilliger Basis.

Aussergewöhnlicher Sprachstil

Als Ausgangstexte verwenden wir gängige deutsche Übersetzungen, aber wir nehmen auch immer wieder Rückgriff auf den Urtext. Den so entstandenen Übersetzungstext überarbeiten wir mehrmals. Bei den letzten Revisionen liest jemand den Text laut vor, denn es ist wichtig, dass man ihn auch gut versteht, wenn man ihn nur hört. Bei der Übersetzungsarbeit machte uns vor allem der Sprachstil des Autors Johannes Mühe. Er liebt lange Sätze, die oft verschachtelt sind, und er wiederholt Wörter sowie Formulierungen umständlich. In der Mundart muss die Satzstruktur jedoch einfach sein. Bibelübersetzungen in die Mundart kämpfen auch damit, dass dem Dialekt oft das entsprechende Wort für einen theologischen Begriff fehlt und das hochdeutsche (Fach-)Wort fremd wirkt. Ein Beispiel aus dem Johannes-Text wäre das berühmte «Im Anfang war das Wort». Bei uns heisst das nun: «Z allereerscht isch s Woort gsii, und s Woort isch bi Gott gsii, und s Woort isch Gott gsii.» (Joh 1,1)

Knifflige Arbeit

Auch alltägliche Wörter wie «antworten» können beim Übersetzen Mühe bereiten. Wir können nicht «Jesus het gantwoorted» schreiben oder gar «er het em ummegee». Wir haben die Formulierung gefunden: «Jesus het as Antwoort gee». Dies ist nicht der Weisheit letzter Schluss, aber brauchbar. Einfacher sind die erzählerischen Passagen, wobei in solchen oft die fremde Welt des antiken Mittleren Osten zur Sprachbarriere wird. Charakteristisch für Johannes ist zudem, dass er oft von der Vergangenheitsform ins Präsens wechselt und wieder zurück − dies findet man auch in unserer Übersetzung wieder.

Immer wieder reizt es den Mundartübersetzer, eine zu originelle und damit oft veraltete Sprache zu benutzen. Die beiden Fassungen vom Johannesevangelium 6,60-65 illustrieren unsere Arbeit an solchen Aspekten: Die erste Fassung ist farbiger, aber braucht Wörter, die heute verstaubt klingen (siehe unten). In dieser Textstelle finden sich auch Begriffe, die man auf diese Weise in der alltäglichen Mundart nicht verwenden würde: «Gäischt» und «Fläisch» − zentrale Begriffe in der Gedankenwelt des Johannes-Textes.

Mühe machten uns gelegentlich auch inhaltliche Aussagen, da der Johannes-Text apodiktisch tönen kann. Solches liess dann in den Sitzungen Diskussionen über den Glauben und die Welt entstehen. Und wie soll es weitergehen? Vielleicht wagen wir uns nach vier Texten aus dem Neuen an etwas aus dem Alten Testament?

Hansueli Müller ist Gymnasiallehrer und hat über zwanzig Jahre Erfahrung mit der Übersetzung von Bibeltexten ins Baselbieterdeutsch.

Textbeispiel erste Fassung und Schlussfassung

Joh 6,60-65 in Baselbieterdeutsch:

Erste Fassung

D Jünger chömme mitenander Krach üüber

60 E Huffe vo syne Jünger, wo das ghöört häi, häi gsäit: Was er doo verzellt, isch jo nit zum Uushalte! 61 Jesus het sälber gwüsst, ass syni Jünger doderwääge föngen afo brummle, und er het zuen ene gsäit: Wäge däm möched der jetz e son e Gstüürm? 62 Was säged der denn, wenn der äinisch gseied, wie der Menschesuun uufe got, döört aane, won er voorhäär gsii isch. 63 Es isch der Gäischt, wo s Lääbe git; s Fläisch bringt nüt zstand. Myni Woort, won i zuen ech gsäit haa, sy Gäischt und Lääbe. 64 Es het aber e baar under ech, wo nit glaube. Jesus het nämmlig vo Aafang aa gwüsst, weeli nit an en glaube und wär en emol düeg verroote. 65 Er het gsäit: Drum han i zuen ech gsäit: Es cha niemer zue mer choo, wenns em nit vom Vatter gee isch.

Schlussfassung

D Jünger sy sich nit äinig

60 E Huffe vo syne Jünger, won em zuegloost häi, häi gsäit: Was er doo verzellt, isch jo nit zum Uushalte! 61 Jesus sälber het au gwüsst, ass syni Jünger drüüber schimpfe, und er het zuen ene gsäit: Regt öich daas esoo uf? 62 Was säged der denn eerscht, wenn der der Menschesoon gseied uufegoo, döörtaane, won er voorhäär gsii isch? 63 Es isch der Gäischt, wo lääbig macht; s Fläisch bringt nüt zstand. Myni Woort, won i zuen ech gsäit haa, sy Gäischt und sy Lääbe. 64 Es het aber e baar under öich, wo nit glaube. Jesus het nämmlig vo Aafang aa gwüsst, weeli nit an en glauben und wär en emol düeg verroote. 65 Er het gsäit: Drum han i zuen ech gsäit: Es cha niemer zue mer choo, wenns em nit vom Vatter gee isch.