Über Projekte und Tätigkeiten informieren, Kontakte knüpfen und vertiefen, Fragen stellen und Anregungen geben. All das bot die Mitgliederversammlung 2014 der Schweizerischen Bibelgesellschaft „auf dem Berg“.
Perspektiven im Auge behalten
Auf Einladung der Pilgermission St. Chrischona fand die Mitgliederversammlung der Schweizerischen Bibelgesellschaft (SB) vom 23. Mai 2014 „auf dem Berg“ statt, das heisst in St. Chrischona. Die biblische Besinnung des Direktors René Winkler entführte die Anwesenden für kurze Zeit in die Welt der Bibel mit Worten aus dem Markusevangelium.
Der 2013 gewählte Präsident Reto Mayer zeigte sich überzeugt, dass trotz grossen Herausforderungen die SB mit ihrer Arbeit und ihren Projekten die Hauptaufgabe, die Übersetzung und Verbreitung der Bibel fördern, nicht aus den Augen verliere. Unterstützt wird sie dabei auch von den anwesenden Mitgliedern, die an der Mitgliederversammlung 2014 dem Vorstand und der Geschäftsleitung bei allen Geschäften einstimmig das Vertrauen ausgesprochen haben. Der Jahresertrag schliesst mit einem Defizit von Fr. 7’434.68.
Bilder sagen mehr als tausend Worte
Unter dem Traktandum 6 wies die Geschäftsführerin Eva Thomi auf den neuen Jahresbericht hin: „Dieser kommt farbiger, luftiger und mit mehr Bildern daher,“fasst sie das neue Layout zusammen. Die Titelseite sage mehr als tausend Worte, meint Eva Thomi, sie gebe einen ersten Einblick in die Tätigkeiten der SB und spiegle sowohl die nationalen als auch internationalen Aspekte der Arbeit wieder.
Beim Mission Statement auf Seite 1. hat der Satz „Die Schweizerische Bibelgesellschaft engagiert sich auf nationaler Ebene für das Übersetzen, Entwickeln, Produzieren und Ausliefern von Bibeln und Teilen der Bibel“ zur Frage geführt, ob damit Mundart-Übersetzungen gemeint seien? Diese Frage beantwortete Eva Thomi mit einem mehrdeutigen „Nein, nicht nur, aber auch.“ Gemeint seien damit zum Beispiel das Buch Jona in französischer Gebärdensprache, die Unterstützung der Association „bergbibel.com“ oder auch das Projekt der orthodoxen deutschsprachigen Bibelübersetzung der SB. Und um auf die Dialektfrage zurück zu kommen: „Dazu gehören die berndeutschen CD’s Der höchste Turm und E Suhn füre Abraham,“ erklärt Eva Thomi.
Einige Punkte strich die Geschäftsführerin aus dem Jahresbericht hervor. Zum Beispiel die guten Partnerschaften innerhalb des Weltbundes der Bibelgesellschaften (UBS) und insbesondere mit den Nachbarländern. Mit Italien verbindet die SB vor allem auch die gemeinsame Verantwortung für die Traduzione interconfessionale in lingua corrente (TILC). Die revidierte Fassung wird noch dieses Jahr auf den Markt kommen.
Ein weiter Punkt ist das grosse Interesse an den Inlandprojekten: beispielsweise das Projekt „Bibeln für Gefangene“. Hier konnte die SB bereits 4‘727 Bibeln und Neue Testamente den Seelsorgerinnen und Seelsorgern für die Häftlinge kostenlos zur Verfügung stellen. Zu den am meisten gefragten Sprachen gehören Rumänisch, Albanisch, Spanisch, Portugiesisch und natürlich Deutsch, Französisch und Englisch.
Karl Klimmeck wendet sich mit einen Appel an die Anwesenden: „Ideal wäre, wenn die Kirchen und Schulen ihren Bedarf an Bibeln bei der SB decken würden.“ Das Ziel des Buchhandels der SB und des Bibelshops sei nicht enorme Gewinne zu machen, sondern mit dem Erlös den administrativen Aufwand der SB zu decken. Auch weist er darauf hin, dass die SB mit den fremdsprachigen Bibeln auch einen missionarischen Zweck verfolgt.
Strategie der SB
Die Förderung der weltweiten bibelgesellschaftlichen Arbeit steht im Zentrum der strategischen Ausrichtung der SB. Dazu gehören insbesondere auch die 450 Übersetzungsprojekte, an denen weltweit gearbeitet wird. Der Vorschlag des Vorstandes der SB, den Unterstützungsbeitrag zugunsten dieser Arbeit im Jahre 2014 erneut leicht zu erhöhen, und zwar auf 180‘000 Franken, wird einstimmig angenommen. Ein weiterer Punkt der Strategie ist der Aufbau eines Patronatskomitees. Die Suche ist ein sorgfältiger Prozess. Bereits sechs Personen stehen mit ihrem Namen für die Arbeit und Anliegen der SB ein und tragen diese weiter in die Öffentlichkeit.
Weiteres in Kürze
- Die Stabilität bei den Einzelspenden lässt sich leider nicht auf die Kollekten übertragen, die deutlich tiefer ausgefallen sind als im Vorjahr.
- Keinen Ertrag weist in der Jahresrechnung der Posten Institutionelle Gönner/Firmenspenden auf, trotzdem er mit 85‘000 Franken budgetiert war, da die geplante und auch budgetierte Stelle eines Fundraisers, resp. einer Fundraiserin noch nicht mit einer geeigneten Person besetzt werden konnte.
- Grosse Freude bereitet der SB die Sparte „übriger Betriebsertrag“: Der erwirtschaftete Betrag liegt mit 39‘970.44 Franken deutlich über dem Budget. Dies hat mit der neuen Migrations-Ausstellung „Gott hat den Fremdling lieb“ zu tun, welche die SB zweimal weiterverkaufen konnte und die im Berichtsjahr an verschiedene Kirchgemeinden ausgeliehen wurde.
Die Welt der Jugendlichen
Am Nachmittag spricht Pfarrer Markus Giger, Gesamtleiter der reformierten Jugendkirche streetchurch und Gefängnisseelsorger im Massnahmezentrum Uitikon. Sein Thema: Wie der Heilige Geist, durch das Lesen der Bibel, jungen Straftätern Jesus Christus offenbart.
Mit eindrücklichen Geschichten von Jugendlichen erzählt Markus Giger anschaulich, wie er auf die Jugendlichen zugeht und ihr Vertrauen gewinnt. Er erzählt von Massimo, der ihn in einer Arroganz anschaute, dass er wusste, da muss ich nichts sagen. Er erzählt von Sandro, der im Pfarrer zum ersten Mal im Leben einen Menschen fand, dem er vertrauen konnte.
Markus Giger erzählt, wie ein Wort, ein Gebet Veränderungen bewirken kann. Wie Not und Schmerz Herzen öffnen könnten für die Gegenwart Gottes im Gebet und in der Bibel.
„Damit die Jungendlichen die Sprache verstehen, wähle ich nach wie vor „Hoffnung für alle“, arbeite aber auch gerne mit der BasisBibel“, sagt Markus Giger. Und zwar aus zwei Gründen, sie ist gut verständlich und es habe wunderbare Erklärungen, die auch auf Internet ergänzt würden. Aber auch die Comic-Bibeln würden gerne gelesen und gäben einen ersten Einstieg in die Heilige Schrift.
Kurze Ausschnitte aus dem Referat von Markus Giger:
Interview mit Markus Giger: Die Welt der Jugendlichen kennen
Wie Gott sich jungen Menschen offenbart, darüber wird Pfarrer Markus Giger an der Mitgliederversammlung der Schweizerischen Bibelgesellschaft vom 23. Mai 2014 sprechen. Wir werfen einen ersten Blick auf seine Arbeit mit Jugendlichen in erschwerten Lebenssituationen.
Markus Giger ist Gesamtleiter der reformierten Jugendkirche streetchurch und Gefängnisseelsorger im Massnahmezentrum Uitikon. Die streetchurch arbeitet seit 2003 im multikulturellen Umfeld mitten in der Stadt Zürich. Ihre Angebote richten sich an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 28 Jahren mit psychosozialen Problemen, die in mehreren Lebensbereichen (Wohnen, Delinquenz, Sucht, Beziehung, u.a.) Belastungen ausgesetzt sind.
Markus Giger, Sie arbeiten als streetchurch- und Gefängnisseelsorger. Was gefällt Ihnen an dieser Arbeit?
Was mich fasziniert, ist der unmittelbare Zugang zu jungen Menschen, der sehr echt ist, es geht immer um existenzielle Fragen. Da kommt man sehr schnell sehr nahe an die grossen Fragen des Lebens.
Sind denn diese Jugendlichen „echter“ als andere?
Wir nehmen wahr, dass durch einen starken Leidensdruck auch die Bereitschaft zunimmt, sich ehrlich mit Problemen auseinanderzusetzen. Unsere Jugendlichen sind konfrontiert mit schwerwiegenden Problemen wie beispielsweise Angst vor Haft, weil sie Schulden haben, oder und keine Arbeit und kein Dach über dem Kopf haben. Dieser Leidensdruck führt dazu, dass die Jugendlichen sich mit ihrer Situation auseinandersetzen müssen.
Arbeiten Sie als Gefängnisseelsorger auch mit Jugendlichen?
Ich bin ausschliesslich zuständig für junge Menschen zwischen 13 und 24 Jahren, die entweder in Untersuchungshaft oder im Massnahmevollzug sind.
Kommen diese jungen Menschen freiwillig zu Ihnen?
Ja, das ist ganz wichtig. Im Gefängnis gehe ich natürlich auf sie zu, es kommt zu Gesprächen, aber es gibt keinen Zwang.
Warum wenden sich Jugendliche an streetchurch und nicht an eine andere Organisation?
streetchurch deckt fast alle Lebensbereiche ab. Unser Angebot ist sehr breit, nicht nur im Bereich der Arbeitsintegration, wir bieten auch soziale und psychologische Hilfe an. Wir sind im Freizeitbereich aktiv und laden zum Gottesdienst ein. Das andere ist, streetchurch ist ein Label, das sich gut anfühlt. Wir sind jugendlich, nicht typisch kirchlich, nahe an der Lebenswelt junger Menschen. Aber wahrscheinlich ist der Hauptgrund die Mund-zu-Mund-Propaganda. Junge Leute, die gute Erfahrungen gemacht haben, erzählen es weiter. Sie raten, geht doch zu streetchurch, die können dir helfen.
Sind Jugendliche, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden, offen für spirituelle Fragen?
Das ist sehr unterschiedlich, es ist selten die erste Frage. Aber wenn der Jugendliche Vertrauen zu uns hat, kommen die lebensrelevanten Fragen, zum Beispiel: Warum geht es mir so schlecht? Warum lässt Gott das Chaos im meiner Familie zu?
Und wie steht es mit der Offenheit für die Bibel?
Die Bibel wirkt seit Jahrhunderten als Leitfaden, als Tröster für Menschen in schwierigen Situationen. Das erlebt der junge Mensch nicht anders, wenn man ihm den Zugang ermöglicht: mit Gleichnissen von Jesus, die heute noch eine hohe Aktualität und Kraft haben. Die Frage ist, kenne ich den Jugendlichen gut genug, um die richtigen Texte zu finden? Damit ich Texte mit Jesus leuchten lassen kann, so dass sie eine Relevanz für den Jugendlichen bekommen? Ich hoffe, diese Herausforderung gelingt mir immer wieder. Es hat viel mit jahrzehntelanger Erfahrung zu tun. Ich kenne die Welt dieser jungen Menschen sehr gut, und weiss, was in diesen Lebenssituationen wirken kann.
Wie schöpfen Sie persönlich Kraft für ihre Arbeit?
Im geistlichen Austausch mit dem Team, das nicht nur fachspezifisch, sondern auch im Gebet die Arbeit gemeinsam trägt. Persönlich schöpfe ich seit vielen Jahren tagtäglich Kraft, indem ich den Morgen mit einer Tagesliturgie beginne, die ich persönlich erarbeitet habe, sie geht über in die Lektüre der Bibel und ins Gebet.
Für die Jugendlichen bieten Sie auch Gottesdienste an. Wie unterscheiden sich diese von normalen Gottesdiensten?
Wir gehen konsequent in die Lebenswelt der jungen Menschen. Das bedeutet, der Gottesdient beginnt nicht meditativ-besinnlich mit einem Orgelspiel, sondern ein Diskjockey legt moderne Musik auf. Er holt die Leute in ihrer Welt ab. Der Gottesdient wird so gestaltet, dass sie neunzig Minuten dranbleiben. Das heisst: kurze Sequenzen wechseln einander ab. Die Predigt ist kein Monolog, sondern wird zum Beispiel unterbrochen von Liedern, Videoclips oder Tanzperformances. Kürzlich hatten wir einen Sprayer, der das Gesagte gleich umsetzte. Oder Gäste erzählen aus ihrem Leben. Wir wollen thematisieren, was gärt, was aktuell ist. Der Jugendliche muss nach dem Gottesdienst den Eindruck haben, das ist genau meine Situation, das ist mein Leben, das hier gezeigt wird.
streetchurch verspricht, Antworten auf aktuelle Fragen zu geben. Können Sie uns eine der brennendsten Fragen nennen und sie gleich beantworten?
Es sind Fragen, die uns im Gottesdienst gestellt werden und wir unmittelbar beantworten. Eine Frage, die immer wieder kommt ist „Wenn Gott gut ist, wie kann er all das Leid in dieser Welt zulassen und all das Chaos in meinem Leben?“. Eine persönliche Frage lautet „Wie kann ich Gott erleben?“. Es gibt keine einfachen Antworten. Zentral ist für mich, dass junge Leute verstehen, wie wir ist auch Gott selber dem Bösen und dem Leiden in dieser Welt ausgesetzt, auch Jesus hat sich dem Schmerz ausgesetzt. Gott ist nicht nur allmächtig, sondern auch mit uns ohnmächtig, er trägt uns auch in schwierigen Zeiten – wie im Text Jesaja. Die Antwort auf die Frage „Wie kann ich Gott erfahren?“ lautet immer: indem du ihn suchst. Es liegt auch in deiner Verantwortung. Lass dich aber auch in Gemeinschaften mit Menschen ein, die das Gleiche wollen, nämlich Gott finden. Dann begegnest du dem lebendigen Gott.
Kann es den Jugendlichen helfen, so zu leben, wie sie möchten?
Ja, aber es ist ein langer, langer Weg, auch ein schmerzhafter Prozess. Es ist aber auch ein Weg in der Gemeinschaft, der Heilung und Veränderung zulässt.
Elisabeth Küpfert