Bibel des Monats – April

28. April 2025
Die Moutier-Grandval Bibel in Deslberg

Die Bibel von Moutier-Grandval vom März bis Juni 2025 im Museum für Kunst und Geschichte in Deslberg

Die Bibel von Moutier-Grandval

Die Moutier-Grandval-Bibel, eine berühmte karolingische Bilderhandschrift aus dem 9. Jahrhundert, benannt nach dem Kloster Moutier-Grandval im heutigen Kanton Jura, ist diesen Frühling bis Anfang Juni im Musée jurassien d’art et d’histoire zu bewundern. Bereits 1981 wurde die Bibel in der Kirche Saint-Marcel in Delémont ausgestellt.

Seit 1836 der Basler Handelsmann und Kunstsammler J. H. von Speyer-Passavant die Bibel an die British Library in London verkauft hat, wird dieses Meisterwerk der Buchkunst dort unter strengen konservatorischen Bedingungen aufbewahrt und darf nur in Ausnahmefällen eingesehen werden.

Festschrift zum 75jährigen Bestehen des Schweizerischen Lithographievereins über die Moutier-Grandval-Bibel, Bern 1971.

Festschrift zum 75jährigen Bestehen des Schweizerischen Lithographievereins über die Moutier-Grandval-Bibel, Bern 1971.

Die Schweizerische Bibelgesellschaft ist im Besitz der Jubiläumsschrift des Vereins der Schweizerischen Lithographiebesitzers aus dem Jahr 1971, eine hochwertige Faksimile-Edition, die mit fast 60 cm Höhe und gut 80 cm Breite in etwa den Massen der aufgeschlagenen Bibel von Moutier-Grandval nachgebildet ist.

Geschichte

Die Bibel von Moutier-Grandval entstand um 840 in den Schreibschulen von Tours, vor allem im Scriptorium des Martinstiftes, dem Benediktinerkloster St. Martin in Tours.

Sie wurde in der Tradition Alkuins (735-804), des Hofgeistlichen Karls des Grossen verfasst. «Karls Rolle besteht nicht darin, dass er bei Alkuin eine Bibelrevision in Auftrag gegeben und sie dann im Reich eingeführt hätte. Er hat vielmehr den nötigen Untergrund geschaffen, das geistige Interesse und den lebhaften kulturellen Austausch gefördert, den Anstoss zu wissenschaftlicher Tätigkeit gegeben. Er zeigte mahnend auf die Wichtigkeit eines korrekten Bibeltextes, ermunterte zur Arbeit daran, bestellte Handschriften, liess einige am Hof schreiben und gab das anregende Beispiel.» (Festschrift 50)

Grossformatige Kunstwerke

Vor allem in der zweiten Periode unter Fridugius, Abt von Tours von 807 bis 834, entwickelten sich die zunächst einfach gestalteten grossformatigen Alkuin-Bibeln zu wahren Kunstwerken. Auch in den folgenden Perioden des 9. Jahrhunderts unter den Äbten Adalhard und Vivian wurden die graphischen Mittel und Fertigkeiten weiter verfeinert, «um die Gliederung in biblische Buchgruppen noch deutlicher hervortreten zu lassen» (Festschrift 50). «Durch Initialen in reicher Zahl und feinster Abstufung» wird der künstlerische Schmuck erhöht.

«Mit der Vivian-Bibel, die Anfang 846 Karl dem Kahlen überreicht wird, und dem Lothar-Evangeliar, das etwa 849/51 entstanden ist, erweist sich das Scriptorium von St. Martin von Tours als das führende Scriptorium des karolingischen Reiches.» (Festschrift 50).

Aufgrund mehrerer Einfälle und Plünderungen der Normannen in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhundert, mussten die Schreibstuben in Tours ihre Tätigkeiten wieder neu beginnen.

Zeichnung der vier Evangelisten, die dem NT vorangeht

Zeichnung vor dem Neuen Testament der Moutier-Grandval-Bibel: Christus in der Mitte, umrahmt von den vier Evangelisten Matthäus mit dem geflügelten Menschen (oder Engel), Markus mit dem Löwen, Lukas mit dem Stier, Johannes mit dem Adler

Gegen Ende des 9. Jahrhunderts erreichte die Kunst des Schreibens wieder ihre alte Blüte und wurde sogar noch übertroffen: Ganzseitige Zeichnungen kamen hinzu, wie erstmals in der Bibel von Moutier-Grandval. Rund 20 Mönche sollen an den 449 Seiten der Bibel mitgearbeitet haben.

Die Reisen der Moutier-Grandval-Bibel

Wie die Bibel von Tours ins Kloster Moutier-Grandval gelangte, ist nicht ganz geklärt. Wahrscheinlich kam sie als Geschenk oder durch Stiftung ins Kloster, welches im 9. Jahrhundert zur Reichsabtei Luxeuil (im heutigen Frankreich) gehörte, aber enge Beziehungen zu anderen Reformklöstern, darunter eben auch Tours, unterhielt.

Mit der Flucht der Chorherren aus Moutier gelangte die Handschrift nach Delsberg, wo sie unbeachtet im Dachgeschoss des Kapitelhauses lagerte, bis sie 1821/22 von spielenden Kindern entdeckt und bewundert wurde. Die Besitzerinnen des Hauses, die Demoiselles Verdat, verkauften sie für 25 Batzen (damals Fr. 3.75) an den Advokaten Alexis Bennot, Vizepräsident des Gerichts und von 1801 bis 1805 Bürgermeister von Delsberg. Das ist etwa der Preis für 37 Laibe Brot oder 75 Liter Milch, eines Anzugs oder einen Wochenlohn für einen Tagelöhner.

Als der Ortspfarrer von Deslberg Joseph Germain Valentin Hennet vom Kauf erfuhr, hätte er die Bibel gerne für seine Pfarrei erworben. Er bot 12 Louis-d’or bzw. 192 Franken, doch es war zu spät. Der reichere Handelsmann und Antiquar Johann Heinrich von Speyr kam ihm zuvor. Am 19. März 1822 bezahlte er dem Delsberger Advokaten je nach Quelle 24 oder 25 Louis-d’or, das entspricht etwa 60 hochwertigen Anzügen oder 1200 Tage Löhne eines Tagelöhners. So reiste die Moutier-Grandval-Bibel 1822 von Delsberg nach Basel.

Der umtriebige Handelsmann Johann Heinrich von Speyr war einerseits von der Bibel begeistert, witterte aber auch das Geschäft. So versuchte er in den Jahren 1828/30 in Paris vergeblich, die Bibel dem «Nachfolger» Karls des Grossen, dem König Charles X von Frankreich, der sich anfänglich dafür zu interessieren schien, zu verkaufen.

Im Hinblick auf den Verkauf hatte er einen neuen Einband und eine eiserne Kassette herstellen lassen. Er selber schreibt dazu :

«Sa couverture était presque totalement rongée par les vers et presque en pièces. Il m’a fallu la faire recoller avec beaucoup de précaution; une fois cette réparation de solitité faite, je jugeai convenable de la recouvrir d’un velours de soie noire. » (Festschrift 43).

Er verfasste eine Beschreibung (Description) der Bibel, die als erster Versuch gilt, diese räumlich und zeitlich zu bestimmen. Mit phantasievollen Beschreibungen, die sich später historisch zum Teil als falsch erwiesen haben, und durch das Sammeln von Zeitungsartikeln und Meinungen, Notizen und Auskünften damals angesehener Persönlichkeiten, die er in sein Album aufnahm, versuchte er, den Wert der Bibel zu behaupten. Diese Dokumente veröffentlichte er 1829 in seiner «Description».

Vom König Charles X verlangte den exorbitanten Preis von 60 000 francs für die Bibel, welche er dann auf 48 000 und 42 000 reduzierte. Doch keiner der Minister des Königs waren bereit, soviel zu zahlen. Schliesslich kam Speyr 1830 mit der Bibel zurück nach Basel, «wo sie die wichtigste Attraktion des Kunstkabinetts ihres Besitzers darstellte.» (Festschrift 44). Nach der Pariser Erfahrung sammelte er weiter Argumente, um den hohen Preis, den er für den Verkauf der Bibel verlangte, zu rechtfertigen.

Speyr, der inzwischen in Geldnot geraten war, versuchte immer noch, die Bibel loszuwerden. Nachdem er 1835 einen letzten Versuch unternommen hatte, die Bibel in Frankreich zu verkaufen, gelang es ihm schliesslich 1836, sie für £750 an das Britische Museum in London zu verkaufen. Das war zwar mehr als dreimal weniger als der ursprünglich angestrebte Preis, aber immer noch ein enormer Preis für eine illuminierte Handschrift zu jener Zeit.

Der spätere Besitzer Sir Frederic Madden, «Keeper of Manuscripts» des British Museum in London hat einige falsche Annahmen Speyrs richtiggestellt, wie beispielsweise, dass Alkuin, Berater Karls des Grossen, an der Abschrift der Bibel beteiligt gewesen sei.

Codex und die Schrift

Der ursprüngliche Einband, der die Seiten zusammenhält und schützt, ist schon vor Jahrhunderten verlorengegangen. Es gibt keine Aufzeichnung, wie er aussah. 1954 hat das British Museum den damaligen Einband Speyrs entfernt. Zum Vorschein kam ein stark abgeriebener mit Girlanden verzierte Bucheinband vermutlich aus dem 16. Jahrhundert, doch er war keineswegs «fast vollständig von Würmern zerfressen und zerbrochen» wie Speyr in seiner Déscription bemerkt hatte.

Die Höhe der Holzdeckel ist 52 cm, die Breite 38 cm, der gerundete Rücken gut 12 cm. Der Band wieg ca. 16 kg. Die zwei ursprünglichen Schliessen (Verschlüsse) fehlen. Sie bestanden aus je zirka 3 cm breiten und mindestens 35 cm langen Lederriemen, die an der Rückendeckelkante befestigt waren.

Beginn des Matthäusevangeliums, Faksimile der Moutier-Grandval Bibel

Beginn des Matthäusevangeliums, Faksimile der Moutier-Grandval Bibel

Die 449 Seiten des Codex wurden mit Bleistift nummeriert, um die Reihenfolge der Blätter festzulegen und zu dokumentieren. Die Blätter sind sorgfältig zugeschnitten und durchschnittlich 49,5-50,5 cm hoch und 37,5-38 cm breit. Die Bibeltexte sind in 2 Spalten à 50-52 Zeilen geschrieben. Abgesehen vom Titelblatt und den ganzseitigen Bildern ist das Manuskript zweispaltig gegliedert mit feinen Hilfslinien, die die Zeilen festlegen.

Das verwendete Pergament ist von sehr hoher Qualität, so dass die Bibel quasi noch so frisch aussieht, wie aus der Hand der Schreiber. Die Unterschiede zwischen Haarseite und Fleischseite des Pergaments wurden «durch sorgsame Entfernung der Poren und extrem gute Glättung» (Festschrift, 104) weitgehend behoben. «Die Tinte ist schwarz und von grosser Gleichmässigkeit. Deutliche Unterschiede in der Tintentönung, die auf die Unterbrechung der Arbeit, das Versiegen der Tinte in der Feder oder den Wechsel der Tinte gedeutet werden können, sind selten».

Weitere Infos

Wenn Sie mehr über die Moutier-Grandval-Bibel erfahren möchten, dürfen Sie gerne nach Biel kommen, um die Festschrift zu konsultieren.

Auf dieser Seite können Sie die Moutier-Grandval Bibel vollständig digitalisiert anschauen.

Infos zur Ausstellung in Delémont: Musée Jurassien d’Art et d’Histoire –

Blog: A Carolingian Masterpiece: the Moutier-Grandval Bible – Medieval manuscripts blog